Zimmergeschichten Sissi

Zimmer 24 – Sissi

Geboren 24. Dezember 1837
Gestorben 10. September 1898

Die junge ungestüme “Sissi”, wie sie von ihren Geschwistern und Eltern genannt wurde, wollte als Kind schon nicht so recht stillsitzen. Eine rechte Rumtreiberin, wie sie der Vater liebevoll vor seinen Freunden nannte.

Das Studieren hatte es ihr nicht so angetan, deswegen zog sie der Schulbank eindeutig, das Reiten, Wandern oder aber auch den Zirkus vor.
Ganz davon abgesehen war das Rumtollen und Spielen mit den befreundeten Bauernkindern wesentlich interessanter als hinter Schulbüchern zu verkümmern.

Nachdem die königliche Familie bei Hofe zu Sissis Kindheit keinerlei Verpflichtungen hatte, konnte das junge Fräulein sich nach Herzenslust der eigenen Kindheit widmen. Sissis Vater war eher ein Freigeist, eine ausnahmslos starke, schillernde Persönlichkeit, die nichts von der höfischen Etikette hielt.
So wurde Sissi geprägt von ihrem Vater Herzog Max – Zeit ihres Lebens blieb Sissi unkonventionell, politisch liberal, was alles auf die freie Erziehung schließen lässt. Als Vaters Lieblingskind konnte Sissi sich seiner Verschwiegenheit und wohlwollendem Schmunzeln immer sicher sein, wenn sie wieder mal einen Schmarrn ausheckte. Glaub uns – das mit dem Ausdenken von Abenteuern – da war Sissi eine wahre Meisterin, was sie und ihre Geschwister nicht nur einmal in Schwierigkeiten brachte.
Unter anderem war im elterlichen Garten ein kleines Zirkuszelt aufgebaut, in dem Sissi mit ihren Geschwistern das eine oder andere Kunststück einstudierte. Egal ob auf den Pferden zirkusreife Nummern oder auch harmlose Clownstücke mit Ernsthaftigkeit geprobt und einstudiert wurden – es machte den Kindern unglaublich viel Spaß.
Sissi war allerdings zur Sorge ihrer Mutter auch bekannt für ihre waghalsige Akrobatik und wurde nicht nur ein Mal von ihr ermahnt. Sissi tat dies aber mit einem Lachen ab.
Die einstudierten Clown Nummern mit den kleineren Geschwistern brachten alle zum Lachen. Lediglich die Schneiderin stöhnte, weil sehr oft ein größerer und kleinerer Schaden an all den Kleidungsstücken ausgebessert werden musste.

Eines Tages munkelte das ganze Dorf, dass sich ein kleiner, professioneller Wanderzirkus auf dem Weg nach Starnberg machen würde, um dort seine Zelte aufzubauen und ein spektakuläres Programm darzubieten.
Jedoch der damalige Bürgermeister (eher ein Spaßverderber) verbot das Niederlassen der ihm nicht zusagenden, offensichtlichen Zigeuner. Er war nicht begeistert von den bunten Gesellen und schickte sie an den Bauernsee nach Herrsching, da waren sie sichtlich in besserer Gesellschaft.

Was der hohe Herr nicht wusste, dass Sissi sich fest vorgenommen hatte, einmal vor richtigem Publikum aufzutreten. Natürlich hielt sie dies geheim. Lediglich ihrem Bruder Carl Theodor, den sie liebevoll Carle nannte, vertraute sie ihr großes Geheimnis an.

So kam es, wie es kommen musste – Sissi stahl sich mit einem kleinen Koffer, worin sie das Nötigste verstaute, in aller Herrgottsfrüh auf und davon. Mit ihrer kleinen Kutsche und dem vollblutigen Lieblingspferd fuhr sie davon.
In Herrsching angekommen musste sie die Wiese, auf der der Zirkus hielt und Rast machte, nicht lange suchen. Nachdem es ein buntes Völkchen war, fiel sie nicht sonderlich auf. Sissi wartete eine günstige Gelegenheit ab und stahl sich in das Zelt des Direktors, um ihr Vorhaben vorbringen zu können.

Mit Schmunzeln nahm der Direktor Sissis Wunsch auf und las an ihren Köfferchen, woher sie kam. Sissi trug ihren Wunsch so eindringlich, glaubwürdig und entschlossen vor, dass er der jungen Dame diesen nicht abschlagen wollte. Sissi kam ihm nur etwas müde vor und nachdem er sie nicht in einem der Zirkuswagen ruhen lassen wollte, erinnerte er sich daran, dass ihm der Postwirt noch einen Gefallen schuldig war.

Sissis Pferd wurde versorgt und sie wurde von den Akrobaten in die Post gebracht, um sich frisch machen zu können und ein wenig zu essen.

Der Zirkusdirektor ließ aber Sissi nicht ziehen ohne ihr zu versichern, dass um 18 Uhr die Vorstellung beginnen würde und sie bereits nach der ersten Ansage ihren großen Auftritt haben würde. Das junge Fräulein wurde rührend in der Gaststätte umsorgt. Die junge Tochter des Wirtes, die Marie, war etwa im gleichen Alter und flocht Sissi die Haare zu einem kunstvollen Zopf. Trotz Aufregung gelang es Sissi etwas zu schlafen.

Marie brachte ihr, kurz nachdem sie aufgewacht war, zur Stärkung ein Glas noch warme Kuhmilch, mit einem Augenzwinkern “von der Kuh Lisl”, denn die Kuh heiße auch “Elisabeth”.

Ungewöhnlich für Sissi kam sie pünktlich vor dem Zirkus an, um sich zu den anderen Künstlern zu gesellen. Voller Aufregung sah sie das heranströmende Publikum. Voller Spannung wartete sie auf ihren Auftritt.

Der Vorhang ging auf und Sissi wurde vom Zirkusdirektor vor dem Publikum angepriesen, ein einmaliges Schauspiel einer großen Persönlichkeit zu Pferde, von der man bestimmt noch viel hören und sehen werde. Der verhaltene Applaus empfing Sissi. Leicht verunsichert, aber schon tausend Mal vor ihren Geschwistern erprobt, ließ sich Sissi voll auf ihre Nummer ein, konzentrierte sich und blendete all die neugierigen und fremden Gesichter aus.

Sie preschte in der Manege umher. Waghalsige Geschwindigkeiten der zarten jungen Dame ließen das Publikum den Atem anhalten. Sissi genoss das Gefühl in einer Manege zu sein sichtlich, sie ließ ihr Pferd galoppieren und stand auf dem Pferderücken so sicher, als würde sie fest im Sattel sitzen. Plötzlich beim Umsehen stellte sie fest, dass ihre komplette königliche Familie mit einigen Freunden und Bediensteten im Zuschauerraum saßen. Ihr Vater warf ihr mit stolz geschwellter Brust eine Kusshand zu. Ihre Mutter bemühte sich eine sauertöpfische Miene aufzusetzen, jedoch der Glanz ihrer Augen verriet sie. Sissi verließ unter donnerndem Applaus die Manege.

Wie kam es dazu, dass die Familie anwesend war?

Carl Theodor hatte vor lauter Angst geplaudert, nachdem die Polizei benachrichtigt war, um nach dem jungen Fräulein zu suchen. Auch der Zirkusdirektor hatte einen Clown los geschickt, um die königliche Familie zu informieren.

Hungrig und zufrieden machte sich die gesamte königliche Familie noch auf zum Postwirt und wurde da im wahrsten Sinne herrschaftlich bewirtet.

Es ist wohl überliefert, dass der Wirt die Einnahmen, die er an diesem besonderen Tag machte, nie mehr toppen konnte. Außerdem brachte ihm dieser Besuch noch jahrhundertelang neugierige Gäste aus aller Herrn Länder ein, die auf den Spuren der Sissi wanderten.