Zimmergeschichten Lisl Schwab

Zimmer 31 – Lisl Schwab

Geboren 03. September 1900
Gestorben 19. Januar 1967

Die Königin der Lüfte, wie Lisl genannt wurde (ihr ganzer Name ist Elisabeth Maria Schwab), war eine große Pionierin der Deutschen Luftfahrt. Sie erregte erhebliches Aufsehen in aller Öffentlichkeit durch waghalsige und abenteuerliche Manöver mit ihrem Flugzeug.

Lisl war eine mutige Frau, die sich 1922 auf ein bis dahin ungekanntes Terrain wagte. Sie trug mit ihren Leistungen dazu bei, dass sich der Menschheitstraum vom Fliegen bis zur Eroberung des Weltalles erfüllen konnte.

In den 1930er Jahren wurden ihre großen Triumphe gefeiert.
Später wurde es still um sie und sie verstarb arm und unbeachtet.

Aber nun zu unserer Geschichte:
Lisl traf bei ihrem ersten Fallschirmsprung im Jahre 1926 den Herrn Claude Dornier aus Oberpfaffenhofen. Die beiden machten sich bekannt und das gemeinsam Erlebte machte sie über viele Jahrzehnte nicht nur zu guten Brieffreunden. So kam es im Sommer 1930 zu einem wiederholten Treffen der beiden und Herr Dornier lud Lisl ein, in seiner Sommerresidenz in Herrsching am Ammersee zu nächtigen.
Lisl jedoch war prüde und erzkatholisch. Sie bestand darauf, in einer Pension untergebracht zu werden.
An einem sehr heißen Tag kam Lisl in Herrsching an und wurde von Herrn Dornier in der Post einquartiert.
Die resolute, man möchte fast sagen unhöfliche Kellnerin begrüßte die junge Frau sehr barsch und meinte, das Fräulein sehe so zäh aus, sie könne wohl die Koffer selber aufs Zimmer tragen, denn “i hob jetzt koa Zeit”. Lisl an solche Anfeindungen gewöhnt, machte sich nichts daraus und trug ihren Koffer in dem 500 Jahre alten Gebäude in den 3. Stock.

Später im Postbiergarten am Kienbach sitzend, einen starken Bohnenkaffee mit frischen Apfelküchel und extra Sahne genießend, summte sie vor sich hin und schaute auf das strömende Wasser des Kienbachs. Claude Dornier gesellte sich zu Lisl und schwubs, wie von Zauberhand, wechselte die Kellnerin ihre Laune. Gnädiger Herr, darfs von dem noch a bissal sein, möchtens jenes, a Kissal, a Deckerl, die Gute kam gar nicht mehr raus aus der Scheinheiligkeit. Irgendwann wurde es den beiden zu bunt und sie baten um Ruhe, denn sie hatten eine wichtige Besprechung, die keine Störung vertrug.

Und so war es. Denn was Claude von Lisl verlangte, war mehr als spektakulär und sollte gleich am nächsten Tag stattfinden. Es ging um ein neues Flugzeug, das sowohl auf dem Land als auch auf dem Wasser starten, landen und fahren konnte. Dies sollte Lisl nun testen. Hierfür angedacht war der Ammersee und flussaufwärts den Kienbach entlang.

Früh am nächsten Morgen trafen sich die Beiden am Startfeld in Oberpfaffenhofen und Lisl hatte gar keine Schwierigkeiten, sich mit der Maschine vertraut zu machen. Kurz vor Abflug kam Claude bei ihr in der Flugkabine vorbei und überreichte ihr eine Zeichnung, die er gestern im Postbiergarten von ihr gemacht hatte. Das Porträt von Lisl strahlte Glück und Zufriedenheit aus. Zusätzlich gab er ihr ein großes Glas mit den Worten “das ist ein Augenblickglas, in dem du schöne Momente in deinem Leben sammeln kannst”.
(Es ist überliefert, dass Lisl sogar ein kleines Zimmer bis zu ihrem Tode hatte, wo sie die schönen Momente in dem Augenblickglas aufbewahrte).
Gerührt startete sie das Flugzeug, hob ab und entgegen der Vereinbarung, keine Extraeskapaden zu machen, drehte sie mehrere Loopings und flog den kurzen Weg zum Ammersee zurück.

Nachdem es noch früh am Morgen war, nahmen nur wenige von der Maschine Notiz. Erst als Lisl zum Landemanöver am See in Ufernähe ansetzte, liefen die, die schon unterwegs waren, zusammen.
Die Feuerwehr und ein Arzt wurden gerufen, denn das Ganze sah so aus, als würde es schiefgehen.
Für alle Anwesenden war unvorstellbar, ein Flugzeug auf dem Wasser zu landen. Es war wie ein Wunder, als die Pilotin das Flugzeug auf das Wasser setzte und dann wie eine Besessene damit den Kienbach in Richtung Dorfmitte entschwand.

Etwas waghalsig war das Ganze schon – aber mit sich selber sehr zufrieden, stoppte die Pilotin das Wasserflugzeug direkt vor der Post und verlangte von der griesgrämigen Kellnerin vom Vortrag a Halbe Bier.
Die Kellnerin flog fast in Ohnmacht, brachte aber, als sie sich gefasst hat, eine kühle Halbe.

Lisl verabschiedete sich mit den Worten: “Nix für ungut” und flog das Flugzeug sicher nach Oberpfaffenhofen in den Heimatflughafen.

Am Abend, erschöpft, glücklich und zufrieden mit sich selbst, speisten Claude Dornier und Lisl Schwab in der Post allerhand bayerische und steirische Spezialitäten des Hauses.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.