Zimmergeschichten Carl Orff

Zimmer 34 – Camilla Horn

Geboren 25. April 1903
Gestorben 14. August 1996

Wohnhaft in Herrsching von 1977 bis 1995

Auch wir stellten uns die Frage – wer war Camilla Horn?
Warum gibt’s in Herrsching einen Camilla-Horn Weg?
Warum verbindet Camilla Horn so viel mit der Post?

Sie war das schönste Gesicht der deutschen Stummfilmzeit. Tochter einer Schneiderin und eines Eisenbahnbeamten, finanzierte sich selbst die Schauspielschule.
1925 wurde sie in einer Faust-Produktion in der Rolle des Gretchens entdeckt. Diese Verfilmung war ein so großer Erfolg, dass sie einen Vertrag in Hollywood erhielt. 1929 kehrte sie nach Deutschland zurück. Nach dem Krieg war sie erst als Dolmetscherin aufgrund ihrer englischen Kenntnisse gefragt. Später kamen Rollen im Film und Theater. Seltener wurde sie für das Fernsehen gebucht. 1985 schrieb sie ihre Memoiren “Verliebt in die Liebe”. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof in Herrsching am Ammersee.

Aber wir sind Ihnen eine Geschichte schuldig…

1977 zog sie nach Herrsching an den Ammersee. Der Umzug wurde im Vorfeld durch und durch geplant. Camilla erklärte dem Umzugsunternehmen, wohin all ihre Kostbarkeiten geliefert werden sollten. Unterstützt wurde sie von einem befreundeten Architekten, der alles aufmalte und extra Pläne entwarf für all die Möbel. Es war geklärt, wohin diese in der neuen Wohnung gestellt werden sollten.

Wie vieles lässt sich manches planen – jedoch an der Umsetzung hapert es. So kam es, dass der Umzug unglaublich chaotisch ablief. Die Kommunikation zwischen dem Umzugsunternehmen und Camilla war im Nachhinein eine Katastrophe – aber hinterher sind wir alle bekanntlich immer schlauer.

Camilla hatte genau in der Umzugsphase wichtige Drehaufnahmen und war somit nicht erreichbar. Sie verließ sich ganz auf ihren Bekannten, den Architekten, der nicht nur die Pläne gemacht hatte, sondern sich auch um den Umzug kümmern sollte.

Besagter Architekt war an diesem Tag jedoch verhindert und so waren die Möbelpacker komplett auf sich und die gezeichneten Pläne gestellt. In Herrsching war wegen einer großen Umbaumaßnahme eine Straße gesperrt. So landeten die Möbelpacker in der falschen Straße und luden die Möbel aus ohne sich zu vergewissern ob sie richtig waren. Nach 3 Stunden Ausladen stellten sie ihren Irrtum fest, luden wieder alles ein, um in die richtige Straße und Wohnung zu fahren – und dann – dann hatten sie keinen Bock mehr.

Zurück zu den Dreharbeiten von Camilla: Nach stundenlangen Szenenwiederholungen: Hier zur Türe rein, lächeln, begrüßen, stolpern, das selbe nochmal und nochmal. Diese ständigen Wiederholungen und das Nichteinhalten irgendwelcher Pläne und Zeiten waren damals in der Filmszene an der Tagesordnung. Als Camilla spätabends in ihrer neuen Wohnung ankam, steckte sie den Schlüssel mit unglaublicher Vorfreude auf ihr warme, schön eingerichtete Wohnung in das Türschloss.

Als sie die Türe öffnete und den ersten Schritt in die Wohnung machte, setzte zuerst Erstaunen, dann Fassungslosigkeit und Enttäuschung ein. Sie starrte in ein absolutes Chaos, zumindest was sie in der Dunkelheit erkennen konnte. Weder das Licht war angeschlossen, noch waren die Möbel ausgepackt. Eiseskälte durchzog die kleine Wohnung. Camilla war eines klar, eine geruhsame Nachtruhe nach dem stressigen Tag, war hier keinesfalls gegeben. Der Versuch, den Telefonanschluss zu benutzen und bei Freunden um Hilfe zu bitten, schlug fehl.

Unglaublich müde und genervt schloss sie die Türe und rauchte erstmal eine Zigarette. Tränen bahnten sich einen Weg über ihr Gesicht. Wut, Enttäuschung, Mitleid mit sich selber, alle Gefühlsregungen machten sich breit. Denn eine Nacht im Freien war alles andere als verlockend. Aber wohin?

Ein Mann, der ein bisschen schwankte wurde auf die wunderschöne Dame aufmerksam und aus ihrer Körperhaltung schloss er, dass die Dame Hilfe brauchte. Auf die höfliche Frage, ob er helfen könnte, entlud sich einfach alles auf den armen Mann. “Scheiß Möbelpacker, falsche Entscheidung nach Herrsching zu ziehen, kalt, müde, hungrig.” Der Mann ging vorsichtig auf die Frau zu und hakte sie unter. Mit den Worten “ich komme zwar gerade vom Wirt, aber mit Ihnen gehe ich nochmal hin. Sie stützen mich, dass ich die Füße grad bekomme und ich stütze sie, dass sie vorwärtskommen”.

Sanft führte er Camilla zur Post. Von seinen Stammtischkollegen wurde er lautstark begrüßt, denn die Begleitung einer wunderschönen Dame machte sein nochmaliges Auftreten nahezu perfekt. “Ja sehts ihr ned, wia miad des Fräulein is? Jetzt schauts a moi, wo der Wirt is. Die Dame braucht a kräftige Suppen, a hoibe Bier und vor allem a gscheits Bett.” Ö, so hieß der junge Gast – und obwohl er scho an leichten Suri hatte, kümmerte er sich liebevoll um die Frau.

Die Wirtin, eine begeisterte Kinogängerin, erkannte Frau Horn und so wurde diese gleich mit einer kräftigen Ochsenschwanzsuppe versorgt. Nachdem Frau Horn weder Nachtgewand noch Kosmetikartikel dabeihatte, überlies ihr die Wirtin ihr eigenen Produkte. Ein heißer Kräutertee zusammen mit den selbstgestrickten Socken, setzte dem Ganzen die Krone auf und Camilla schlief sorgenfrei ein.

Am Morgen wusste sie nicht so recht, wo sie war. Desorientiert stieg sie die Treppe der 500 Jahre alten Post hinunter. Dann kam mit aller Wucht die Erinnerung an den gestrigen Tag. Der Gast von gestern Abend, der Herr Ö, empfing sie sofort mit seiner Mutter und dem Vater. Zusätzlich waren fünf kräftige Leute aus dem Dorf da. Camilla kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Die Wirtin lud alle zum Frühstücken ein.

Frisch gestärkt machte sich die Gruppe auf den Weg zu Camillas Wohnung und nach 5 Stunden war die Wohnung perfekt eingerichtet.
Zum Dank lud Camilla alle auf ein gescheites Essen und Bier in die Post ein und viele Jahre hatte sie ihren Stammtisch in der Post.