Zimmergeschichten Carl Orff

Zimmer 32 – Bertolt Brecht

Geboren 10. Februar 1898
Gestorben 14. Augsburg 1956

Zur Info: Bertolts Eltern, Vater ein Katholik, Mutter eine Protestantin, einigten sich darauf, die Kinder im protestantischen Glauben zu erziehen.

Als Kind erinnerte sich Bertolt immer wieder an die Ferien, die die Familie nur zu gerne in der bescheidenen Sommerresidenz in Herrsching am Ammersee verbrachte. Dies war immer eine sehr unbeschwerte Zeit.
Eine Geschichte aus einem Sommer, der sehr heiß war und eng mit der Post verbunden ist, werden wir Ihnen hier exklusiv verraten.
Bertolt, sein Bruder Eugen und der jüngere Bruder Walter konnten nicht genug vom See bekommen und so radelten sie jeden Tag, versorgt mit allerhand guten und hausgemachten Leckereien von ihrer Mutter, an den See; dort tobten sie mit den Kindern der Herrschinger Familien herum.
Bertolt freundete sich mit Maxi an, einem überzeugten Ministranten der katholischen Kirche und der Sohn des hiesigen Postwirtes.
Bertolt und Maxi waren beide also zwei sehr intelligente Burschen. Sie lieferten sich das eine oder andere Wortgefecht und so blieb es auch nicht aus, dass beide eine waghalsige Wette miteinander abschlossen.

So war nun eine Wette geboren. Wer es von Beiden schaffte unbeobachtet auf den Andechser Kirchturm zu klettern, die Glocke zu einer komplett unpassenden Zeit mit der Hand zum Läuten zu bringen und danach sofort abzuhauen ohne erwischt zu werden, der würde gewinnen. Der Gewinner hätte 3 Schweinsbraten in der Post frei und der Verlierer müsste selber schauen wie er sich das leisten könne.
Zusätzlich drohte dem Verlierer noch eine harte Strafe, er musste den jeweiligen “andersartigen” Gottesdienst besuchen und die dort üblichen Rituale mitmachen.

Das ganze Unterfangen wurde unterstützt durch zwei eingeweihte Dorfjungs, den Huaba Hansi und den Mayer Schorsche.

Die Münze entschied wer den Auftrag zuerst in Angriff nehmen sollte.
Kopf oder Zahl – Bertolt entschied sich für Kopf, Maxi für die Zahl.

Da Huaba Hansi ließ die Münze zwischen seinen Fingern tanzen und klatschte diese dann auf den Boden – Zahl – so war es entschieden, da Maxi musste zuerst ran.

Bei nebliger klammer Nacht machte sich Maxi mit seinen Freunden auf den Weg nach Andechs. Oben angekommen war es ein leichtes, in den Kirchturm zu gelangen. Die Mönche schienen an diesem Tag einen gesegneten Schlaf zu haben. Ungehindert schlug er die Glocke und raste nach unten- den Tumult, den er bei den Mönchen auslöste, bekam er aber gar nicht mit, so glücklich war er die Aufgabe unbeschadet gelöst zu haben. Schulterklopfend wurde er von den Freunden ins Tal geführt.

Genau eine Woche später war Bertolt an der Reihe. Eine sternklare Vollmondnacht versprach ein gutes Gelingen.

Der Aufstieg war vergnüglich und Max hatte daran gedacht, den Schnapskeller seines Vaters um eine Flasche Selbstgebrannten zu erleichtern. So tranken sich die Verbündeten ein kleines bisschen Mut an.
Am heiligen Berg angekommen fanden sie alle Brüder im Gebet zusammensitzend. Ein kleines Fässchen gekühltes Starkbier stand neben dem Meditationstischchen und lies die Buam etwas schmunzeln.
Kurz sprachen sie ein Ablenkungsmanöver ab. Sollten die Mönche doch im Vorfeld hellhörig werden, dann seien die Freunde zum Improvisieren bereit und würden singend und grölend auf die betenden Mönche zugehen.

Bertolt sprintete und rannte möglichst leise die Strecke zum Turm, um die Glocke zu läuten.

An den Glocken angekommen nahm er das Seil und zog dran. Die Glocke lies auch nicht auf sich warten und schlug mit einem lauten Getöse los. Bertolt erschrak, als er von einem Bruder, der ihm aufgelauert hatte, an den Ohrwascheln gezogen wurde, alles Wehren half nichts. Er wurde sogleich allen Mönchen vorgeführt, die ihn mit düsteren Mienen anklagend anstarrten.

Auf einmal wurde lautes grölendes Singen hörbar und die 3 Freunde liefen in die Runde ein, torkelnd, wie abgesprochen.
Jedoch von den finsteren Blicken der Mönche eingeschüchtert, zogen alle ihre Kappen und bekannten ihre Mittäterschaft. Selbst der Abt ließ sich sehen als er den Tumult vernahm.
Die Sündigen nahm der Abt in seine Räume mit und lies sich über den Sachverhalt und die Wette aufklären.

Nachdem es auch nette und humorvolle Geistliche zu dieser Zeit gab wurden die 4 zu einer einheitlichen Strafe verurteilt.
Sie mussten alle zusammen in ihren Heimatgemeinden die Kirchtürme, Dachböden und Glocken der Kirchen reinigen. So kam es! Die 4 Jungs machten sich daran und hinterließen alles was sie anfassten mit großer Sauberkeit.

Bertolt vergaß diese Gemeinschaft nie und nach dem Krieg versäumte er es nicht, nach Herrsching zu fahren und seinen älteren Freunden einen Besuch abzustatten.
Der fand, wie sie sich vorstellen können, in der Post statt, wo der Max in die Fußstapfen seines Vaters getreten und a sauberer Wirt geworden ist.
Das “Freundetreffen” wurde ausgedehnt gefeiert und weil der Weg nach Andechs zu lange war, machten sich die Männer auf den Weg zu der 3 Minuten entfernten St. Martins Kirche und läuteten im Wiedersehensrausch gegen halb eins die Glocken – unentdeckt mit viel Gelächter kamen sie im Wirtshaus an und zechten noch ein Weilchen weiter um dann gemeinsam in Bertolts gebuchtem Zimmer zu nächtigen.

Zu Bertolt Brecht kam einmal ein junger Mensch und sagte:
“Ich habe viele Ideen in meinem Kopf und könnte einen guten Roman schreiben. Ich weiß nur nicht, wie ich anfangen soll.”
Brecht lächelte und antwortete:
“Das ist sehr einfach. Am besten fangen Sie in der linken, oberen Ecke des Blattes an.”

“Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch ‘nen zweiten Plan,
Gehn tun sie beide nicht.”